Magdeburg
"Das Liebesverbot" und Theaterpleite
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Das Theater in Magdeburg |
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Nach einer längeren Gastspielreise kehrte die Bethmann`sche Truppe zur beginnenden
Theatersaison im Oktober 1834 nach Magdeburg zurück, in eine kulturell aktive
Garnisonsstadt mit anspruchsvollem Publikum, von dem sich Wagner gefordert sah.
Ökonomisch war das Theater allerdings eher bescheiden ausgestattet.
Wagner inszenierte und dirigierte mehrere
Opern, bei den Proben sang und spielte er den
Darstellern ihre Rollen vor. Auch beim
Dirigieren beschritt er neue Wege und
dynamisierte die Musiker mit ekstatischen
Bewegungen. Wagner wohnte dem Theater
schräg gegenüber in der Margaretenstraße 2
(Theater und Wohnhaus im Zweiten Weltkrieg
zerstört).
Zu einem Schauspiel seines Freundes Theodor Apel komponierte Wagner hier im Januar 1835
seine "Columbus"- Ouvertüre, außerdem begann er mit der Orchesterskizze seiner Oper "Das
Liebesverbot". Die erste vollständige Theatersaison Wagners – sie verlief für ihn im Ganzen
erfolgreich – endete damit, dass sich das Ensemble wegen Zahlungsunfähigkeit der Direktion
im Mai 1835 auflöste. Wagner verlor seine nur kurz innegehabte Stelle und ging zurück nach
Leipzig – erneut als mittelloser Komponist. Als überraschend die Aussichten auf eine
neuerliche Saison am Magdeburger Theater stiegen, er also seine Tätigkeit dort wieder
aufnehmen konnte, unternahm er sofort eine Rundreise durch Mitteldeutschland, um neue
Sänger zu engagieren.
Am 1. September 1835 kehrte er nach Magdeburg zurück und begann, Louis Spohrs Oper
"Jessonda" für die neue Saison einzustudieren. In Magdeburg wurde nun wieder gespielt, aber
die Finanznot und der dauernde Streit am Theater, auch die zunehmende eigene Verschuldung
belastete Wagners Arbeit. Hinzu kam, dass Minna Planer das Angebot eines Engagements alsSchauspielerin nach Berlin erhielt, was Wagner auch deshalb schwer traf, weil seine eigene
berufliche Zukunft völlig ungesichert schien. Während er im Oktober noch an seinen Freund
Apelt geschrieben hatte: "Was meinst Du? Wenn ich sie
[Minna] so recht absichtlich hintergangen haben werde, habe
ich da nicht ein Meisterstück gemacht? Oder soll ich ein
Filister werden? Ihr Leipziger werdet es entscheiden!" (Briefe
I) begleitet er ihre Sondierungsreise nach Berlin jetzt mit
eifersüchtigen Briefen an die "liebe Braut", in denen er sie
erfolgreich bat, das Angebot abzulehnen.
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Minna Planer, gemalt 1835 im Alter von sechsundzwanzig Jahren von ihrem
Verehrer Alexander von Otterstedt |
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Große Hoffnung setzte Wagner in ein neues eigenes Bühnenwerk, das den wirtschaftlichen
Durchbruch bringen sollte und es damit ermöglichen würde, Minna zu heiraten. Bereits gegen
Ende des Vorjahres hatte er am Text einer neuen großen komischen Oper gearbeitet, dem
"Liebesverbot" nach der Vorlage von Shakespeares "Maß für Maß", nun setzte er die Arbeit
an der Musik fort. Es entstand eine Oper, die stimuliert wurde von der Überzeugung eines
gesellschaftsverändernden Aufbruchs, die gerichtet war "gegen die puritanische Heuchelei",
geschrieben "zur kühnen Verherrlichung der freien Sinnlichkeit" (ML). Die Partitur der Oper
war im Januar 1836 abgeschlossen, bis kurz vor der Uraufführung nahm Wagner allerdings
Veränderungen vor. Das in zehn Tagen einstudierte und wegen Zensurschwierigkeiten in "Die
Novize von Palermo" umbenannte Werk wurde am 29. März 1836 unter Wagners Leitung in
Magdeburg uraufgeführt. Da die Schauspieler in der kurzen Vorbereitungszeit den Text nicht
richtig auswendig zu lernen vermochten und sich aufs Improvisieren verlegen mussten, blieb
das Werk dem Publikum fremd und gänzlich unverständlich.
Eine zwei Tage später angesetzte Wiederholung wurde nach Wagners Erinnerung wegen einer
Schlägerei unter dem Theaterpersonal kurz vor Beginn abgesagt – sie wäre ohnehin ein
Fiasko geworden, da sich kaum Zuschauer zur Aufführung eingefunden hatten. Da Wagner in
einem Kontrakt mit dem Theaterdirektor Bethmann festgelegt hatte, alle Kosten auf eigenes
Risiko selbst zu tragen verschärfte der Misserfolg seine bereits katastrophale finanzielle Lage.
Auch das Theater selbst befand sich erneut in Auflösung, die Saison endete wie die
vorausgegangene: Das Ensemble lief wegen Bankrotts der Theaterdirektion auseinander.
Minna Planer hatte auf Drängen Wagners auf das Berliner Engagement verzichtet, sich aber
inzwischen erfolgreich nach Königsberg an das dortige Theater beworben. Wagner, der kein
eigenes Engagement in Aussicht hatte, beschwor sie in leidenschaftlichen Briefen, "diesen
unruhigen u. zweideutigen Theateraffairen" (Briefe I) zu entsagen – umsonst. Über Berlin,
wo Wagner sich vergebens um eine feste Anstellung bemühte, reiste er, nachdem Freunde
Geld für ihn gesammelt hatten, im Juli 1836 zu Minna nach Königsberg. |