Mathilde Maier (1833 – 1910)

 Mathilde Maier
   
  Mathilde Maier
   

Im März 1862 lernte Wagner im Hause seines Verlegers Schott bei einer Soiree die 29-jährige Mathilde Maier kennen, die bildschöne und kluge Tochter eines Notars aus Alzey. Wagner machte ihr mehrmals, zuletzt im Juni 1864, Anträge, mit ihm zusammenzuleben. Sie lehnte jedoch ebenso entschieden wie behutsam ab, um sich nicht zu kompromittieren. Dennoch besuchte sie Wagner häufig in Biebrich, und später blieben sie einander in Freundschaft verbunden.

Was bei der ersten Begegnung besonderen Eindruck auf Mathilde machte, war der »tiefe Schmerzenszug« in Wagners Wesen. Sie sollte helfen, ihn zu mildern. Mathilde Maier war eine deutsche Schönheit, nicht rasant und nicht von so transparenter Gedankenblässe wie Mathilde Wesendonck, aber gescheit, gemütvoll, innig, fraulich und jung. Sie hatte blaue Augen, einen seelenvollen Blick und trug das gewellte, blonde Haar halblang über die Ohren herab. Den kleinen hübschen Mund zog sie manchmal fix und spöttisch auf die Seite. Sie konnte zuhören; Wagner rühmte einmal ihr schönes Schweigen. Ihr Gesicht wirkte zugleich intelligent und liebenswürdig, nur litt sie an einem beginnenden Gehörschaden, der sie dem Musiker gegenüber befangen machte. Sie hatte ein wenig Angst vorm Abenteuer, andrerseits wehrte sie sich gegen Wagners zu väterliche Zärtlichkeit, die ihre Eitelkeit |als Frau verletzte. »So wirst Du ganz mein sein, wenn ich Dich auch nie besitzen darf«, schrieb Wagner am 20. Juni 1862. Heiraten könne er nicht, solange seine Frau noch lebe, schrieb er ihr am 4. Januar 1863, und den Todesstoß wolle er Minna nicht geben. »Mir fehlt ein weibliches Wesen, das sich entschlösse, trotz allem und jedem mir das zu sein, was unter so jämmerlichen Umständen ein Weib mir sein kann und – muß, sage ich, wenn ich ferner gedeihen soll.« Die an Mathilde Maier gerichtete Bitte, zu ihm zu kommen und als Hausfrau das »Fehlende in schicklicher Weise zu ersetzen«, wurde mit der bündigen Aufforderung zu Scheidung und Heirat beantwortet – und von ihm wieder fallengelassen. Erstaunlich ist, daß Wagner auch nach dem Zusammengehörigkeits-Schwur mit Cosima vom 28. November 1863 weiterhin Mathilde Maier seinen »besten Schatz« titulierte und noch am 23. Januar 1864 »behalt mich unwandelbar lieb« schrieb und sie auch aufforderte, zu ihm nach Wien zu kommen. Er sandte Mathilde einen Brief, den sie ihrer Mutter, mit der sie zusammen lebte, aushändigen sollte und in dem er klarlegte, dass an eine Scheidung von Minna wegen ihres Gesundheitszustands nicht gedacht werden könne, Mathilde sei bei ihm aber »gut und edel aufgehoben«. Und dann leistete er sich die einzigartige Geschmacklosigkeit, den Fall des Todes seiner Frau »in Berechnung zu ziehen« und sich für diese Eventualität um die Hand Mathildens zu bewerben.