Weimar
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Fassade des Hotels "Zum Erbprinz" |
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Das Hoftheater in Weimar (1899) |
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Wagners Weg aus dem von königstreuen Truppen besetzten Dresden führte ihn zunächst über
Freiberg und zusammen mit Bakunin und weiteren Mitstreitern anschließend nach Chemnitz.
Dort wurden Bakunin und andere festgenommen, Wagner gelang die Flucht über Altenburg
nach Weimar, wo er am 13. Mai 1849 Zuflucht bei Franz Liszt (1811-1886) fand. Liszt wirkte
seit 1842 am Weimarer Hoftheater als
Kapellmeister in außerordentlichen Diensten,
1848 hatte er das Amt des Hofkapellmeisters
übernommen und war ganz nach Weimar
gezogen (Neoklassizistischer Neubau des
Nationaltheaters von 1908 heute am gleichen
Platz wie das ehemalige Hoftheater,
Theaterplatz 2). 1850 dirigierte Liszt hier die
Uraufführung des "Lohengrin".
Liszt lebte offiziell im noblen Hotel "Zum Erbprinz", wo laut
Glasenapp auch Wagner untergebracht wurde (im Zweiten
Weltkrieg zerstört, Grundstück am Markt 16 heute Parkplatz,
Gedenktafel für J.S. Bach, der im gleichen Gebäude gewohnt
hatte), inoffiziell aber zusammen mit seiner Lebensgefährtin
Carolyne von Sayn-Wittgenstein und ihre kleine Tochter Marie
in der Altenburg am Weimarer Stadtrand (Jenaer Str. 3, heute
zur Hochschule für Musik Franz Liszt gehörend), wo sie einen
offenen Salon führten. Der Liszt-Salon in der 1. Etage ist
erhalten, dort befindet sich auch die Dokumentation "Liszt, die
Altenburg und Europa". An Liszts Zeit in Weimar erinnert
auch eine Ausstellung im Liszt-Haus (Marienstraße 17), in
dem er von 1869-1886 lebte.
Im Nietzsche-Sterbehaus (Humboldtstraße 36) verbrachte Wagners Verehrer und späterer
scharfer Kritiker Friedrich Nietzsche seine letzten Jahre in geistiger Umnachtung. Das nach
Nietzsches Tod großzügig umgestaltete Haus beherbergt heute das Nietzsche-Archiv und
dokumentiert in einer kleinen Ausstellung die widerspruchsvolle Geschichte des Hauses und
dessen Rolle im Nietzsche-Kult des Nationalsozialismus
Flucht
Liszt riet Wagner zur Flucht nach Paris und schrieb bereits am Tag nach Wagners Ankunft
ein Empfehlungsschreiben an seinen dortigen früheren Sekretär und Konzertbegleiter Gaëtano
Belloni. Auch mit Geld half Liszt aus und
organisierte die weitere Flucht nach Jena, wo
Wagner einen falschen Pass erhalten sollte. Einige
Tage verbrachte Wagner mit Liszt in Weimar und
Eisenach (vgl "Eisenach"), bevor er am 19. Mai
über Oberweimar und Mellingen weiter nach
Magdala floh. Dort mietete er sich unter dem
Namen "Prof. Werder" bei J. Wernsdorf, einem
eingeweihten Freund Liszts ein, wo auch Minna
dazu traf.
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Gedenktafel am inzwischen modernisierten Kammergut in der Richard-Wagner-Straße in Magdala |
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Zu Fuß ging Wagner weiter nach Jena, wo er bei Professor Wolff erneut auf Minna (laut
Glasenapp auch auf Liszt) traf (Gedenktafel am Haus des Romanciers und Germanisten Oskar
Ludwig Bernhard Wolff beim Roten Turm am Löbdergraben und Fürstengraben 18). Dort
bekam er den abgelaufenen Pass eines Professor Dr. Widmann für die weitere Flucht zur
Verfügung gestellt. Die weitere Route sollte auf Anraten der Weimarer und Jenaer Freunde
über Bayern und die Schweiz nach Frankreich führen. Wagner trat die weitere Reise allein an,
über Rudolstadt erreichte er Coburg.
"Einen kurzen Bericht über diese vier Reisetage finden wir in dem Briefe an Professor Wolff
(Abgedruckt im Briefwechsel zwischen Wagner und Liszt, I, S. 18), dem er für alle ihm
erwiesene Güte dankt: er sei so voller Andenken daran, daß er keinen Griff in seine Taschen
tun könne, ohne an Freund Wolffs Fürsorge und Teilnahme erinnert zu werden. ›Leider bin
ich langsam genug gereist: von Koburg aus konnte ich erst am Sonnabend früh weiter nach
Lichtenfels fahren; glücklich bin ich aber überall unbeachtet durchgekommen. Nur in Lindau,
wo ich um Mitternacht ankam, verlangte man mir am Tore den Paß ab; am Morgen erhielt
ich ihn, mit einem Visum nach der Schweiz versehen, ohne Beanstandung zurück.‹ Am
Montag den 28. früh gelangte er über den Bodensee nach Rorschach: eine halbe Stunde nach
Ankunft des Dampfschiffes ging der Eilwagen nach Zürich, von wo aus er bereits am
folgenden Tage (in dem erwähnten Briefe an Wolff) den zurückgebliebenen Freunden über
seine Reiseschicksale berichtete." (Glasenapp)
Auch in "Mein Leben" beschrieb Wagner die Flucht aus Jena und die Ankunft in Zürich: "Ich
reiste nun mit dem Postwagen ab, nachdem ich unter dem Abschied von meiner ganz
verzweiflungsvollen Frau wahrhaft und schmerzlich gelitten hatte. Ohne weitere
Anfechtungen gelangte ich, unter andrem auch an Rudolstadt, dem für mich nicht
erinnerungslosen Orte vorbei [Wagner hatte sich dort zusammen mit Minna im Sommer ihres
Kennenlernens 1834 auf Gastspielreise mit der Bethmann`schen Truppe befunden], an die
Grenze Bayerns, von wo ich nun mit dem Postwagen ohne Unterbrechung meine Reise nach
Lindau fortsetzte. Dort wurde mir am Tore mit den übrigen Passagieren der Paß abverlangt;
unter der seltsamsten fieberischen Aufregung verbrachte ich die Nacht bis zur frühen Abfahrt
des Bodensee-Dampfschiffes. Mir war besonders die schwäbische Sprache des Professors
Widmann, auf dessen Paß ich reiste, in lebhafter Erinnerung geblieben; ich stellte mir vor,
wie ich nun mit der bayerischen Polizei zu verkehren haben würde, wenn ich über die
erwähnten Unregelmäßigkeiten des Passes mit ihr mich zu unterhalten haben sollte. Von fieberhafter Unruhe beherrscht, versuchte ich die ganze Nacht über mich im schwäbischen
Dialekte zu üben, was aber zu meiner größten Erheiterung wiederum nicht gelingen wollte.
Gespannt sah ich am Frühmorgen dem Augenblick entgegen, als der Gendarm zu mir in das
Zimmer trat und, unwissend, wem die Pässe gehörten, drei derselben mir zur gefälligen
Auswahl übergab. Mit lachendem Herzen ergriff ich den meinigen und entließ den zuvor so
gefürchteten Mann in freundlichster Weise. Auf dem Dampfschiff angelangt, erkannte ich mit
wahrhaftem Behagen, daß ich mit seiner Besteigung mich bereits auf schweizerischem Boden
befände; ein wundervoller Frühlingsmorgen ließ mich auf dem weiten See in die vor mir sich
ausbreitende Alpenlandschaft ausblicken; als ich in Rorschach das eidgenössische Land
betrat, benutzte ich den ersten Augenblick zu wenigen Zeilen nach heimwärts, womit ich
meine glückliche Ankunft in der Schweiz, somit die Befreiung aus jeder Gefahr meldete. Die
Fahrt im Postwagen durch das freundliche St. Gallener Ländchen nach Zürich erheiterte
mich ungemein: als ich am letzten Mai, abends gegen sechs Uhr, von Oberstraß hinab nach
Zürich einfuhr und zum ersten Male in glänzender Sonnenbeleuchtung die den See
begrenzenden Glarner Alpen glänzen sah, beschloß ich sofort, ohne dies deutlich im
Bewußtsein zu fassen, allem auszuweichen, was mir hier eine Niederlassung verwehren
könnte."
In Zürich erhielt Wagner über einen alten Freund aus Würzburg, Alexander Müller, einen
Pass nach Paris und reiste am gleichen Tag ab. Über Straßburg, wo er das Münster bestaunte,
gelangte er am 2. Juni in Paris an. Doch Paris blieb enttäuschend für Wagner. Der ihm von
Liszt anempfohlene Belloni war keine große Hilfe und zudem wütete die Cholera in der Stadt.
In "Mein Leben" berichtete er zudem von einer unerfreulichen Begegnung mit seinem
überlegenen Konkurrenten Meyerbeer. Über einen Umweg nach Rueil kehrte er (erneut
ausgestattet mit Geld von Liszt) am 6. Juli nach Zürich zurück. |