Über das Weibliche im Menschlichen (1883)

Wagner schrieb "Über das Weibliche im Menschlichen" am 11. Februar 1883 im Palazzo Vendramin in Vendig nur zwei Tage vor seinem Tod. Es ist das letzte schriftliche Zeugnis Wagners.

Konzipiert wurde dieser kurze Text als Schlußbetrachtung seines Essays "Religion und Kunst", der bereits 1880 in den "Bayreuther Blättern" erschienen war. 1881 hatte Wagner als "Ausführung zu ´Religion und Kunst´" zwei weitere ergänzende Texte veröffentlicht: "´Erkenne dich selbst´" und "Heldenthum und Christentum". Das "Weibliche im Menschlichen" war als Fortsetzung gedacht. Inspiriert wurde Wagner durch das vierbändige Werk des französischen Adligen Arthur de Gobineau über die "Ungleichheit der Menschlichen Rassen". Gobineau hatte in diesem Grundlagenwerk des modernen Rassismus 6000 Jahre Menschheitsgeschichte unter dem dem Gesichtspunkt der Rassenvermischung geschildert. Wagner hat Gobineau mehrfach in der Villa Wahnfried empfangen, der deutscher Übersetzer Gobienaus war Ludwig Schemann, Mitglied des Bayreuther Kreises und Freund Cosima Wagners. Von Gobineau übernahm Wagner den Kulturpessimismus, der die Geschichte als einzigen Verfall durch Rassenvermischung erklärte. Sein Ausblick blieb jedoch optimistisch; Wagner erklärte, dass auf der Grundlage eines "wahrhaften Christenthums" eine allgemeine moralische und ästhetische Weltordnung zu errichten sei. Dies sei auch die Voraussetzung einer "wahrhaftigen ästhetischen Kunstblüte". In seinem Fragment gebliebenen Text "Über das Weibliche im Menschlichen" versuchte Wagner seine Gedanken über die christliche Moral auf die Ehe zwischen Mann und Frau auszuweiten. Die Ehe war für ihn ein göttliches Prinzip, das dem Verfall der Menschen entgegensteht. Der wahre Held, der die Welt erretten kann, bedarf daher als notwendige Ergänzung eine Frau. Wagner letzten Sätze lauteten: "Es ist ein schöner Zug der Legende, welcher auch den Siegreich-Vollendeten zur Aufnahme des Weibes sich bestimmen läßt. Gleich wohl geht der Prozeß der Emanzipation des Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe - Tragik".