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Biografie
  1813 – 1832  Jugend
  1833 – 1842  Theaterpraxis
  1842 – 1849  Dresden
  1849 – 1858  Exil in Zürich
  1858 – 1864  Wanderjahre
  1864 – 1865  München
  1866 – 1870  Exil in Tribschen
  1871 – 1876  Bayreuth
  1877 – 1883  Tod in Venedig

Frauen
  Jugend
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  Liebschaften
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  Friedrich Nietzsche
  Theodor Apel
  Heinrich Laube
  August Röckel
  Michail Bakunin
  Samuel Lehrs
  Heinrich Heine
  Gottfried Semper
  Wilhelmine Schröder-Devrient
  Eliza Wille
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Familie
Kinder

Die jüdische Frage
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  Samuel Lehrs
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WAGNERS BIOGRAFIE    SYNCHRONIK    THEATERSTÜCK    AUSSTELLUNG 

Felix Mendelssohn Bartholdy

 Felix Mendelssohn Bartholdy
   
  Felix Mendelssohn Bartholdy
   

Komponist, Dirigent, Pianist
* 3. Februar 1809, Hamburg / † 4. November 1847, Leipzig

Felix Mendelsohn wurde als Sohn des Bankiers Abraham Mendelssohn und seiner Frau Lea geboren; er war der Enkel des berühmten Philosophen Moses Mendelssohn. Felix wurde im März 1816 in Berlin protestantisch getauft und der christliche Name "Bartholdy" wurde seinem Nachnamen hinzugefügt. Seine Eltern ließen sich erst 1822 während der Rückkehr von einer Urlaubsreise in Frankfurt am Main taufen.

Den ersten Klavierunterricht erhielt Felix Mendelssohn von seiner Mutter. Später wurde er von dem Pianisten Ludwig Berger ausgebildet, sein Kompositionslehrer wurde Ludwig Zelter. Mendelssohn war ein musikalisches Wunderkind. Seinen ersten öffentlichen Auftritt als Pianist hatte er im Alter von neuen Jahren. Seit 1820 komponiert Mendelssohn regelmäßig, ein Jahr später entstanden bereits Mendelssohns erste Sinfonien für Streichorchester. Eine seiner bekanntesten Kompositionen, die Ouvertüre zu Shakespeares "Sommernachtsnachtraum", vollendete Mendelssohn im August 1826, er war zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre alt. Die Uraufführung dieser Konzertouvertüre dirigierte Mendelssohn wenige Monate später in Stettin. Angeregt von seiner Großmutter Babette Salomon, die eine bedeutende und umfangreiche Sammlung der Musik von Johann Sebastian Bach besaß, organisierte Mendelssohn 1829 die Wiederaufführung der "Matthäus-Passion" - die erste Aufführung nach dem Tode Bachs - und leitete die Premiere mit der Berliner Singakademie. Besondere Anerkennung erfuhr Mendelssohn bereits zu diesem frühen Zeitpunkt seiner Karriere in England, regelmäßig trat er in London auf, wo 1833 seine "Italienische Sinfonie", eine Auftragskomposition der Royal Philharmonic Society, uraufgeführt wird. Nach seiner Rückkehr nach Berlin bewarb sich Mendelsohn vergeblich um die Stelle des Direktors der Berliner Singakademie. Enttäuscht, da ihm der offenkundig zweitrangige Kandidat Carl Friedrich Rungenhagen vorgezogen wurde, kehrte er Berlin den Rücken. Der Sänger Eduard Devrient -  der "Jesus" in der Aufführung der "Matthäus-Passion" - hat in seinen später veröffentlichten "Erinnerungen an Mendelssohn" auf die antisemitischen Ressentiments unter den Mitgliedern der Singakademie hingewiesen. 1835 übernahm Mendelssohn als "Ständiger Musikdirektor" die Leitung der Gewandhaus-Konzerte in Leipzig, wo er eine umfassende Reform des Musiklebens einleitete. Mendelssohn gründete das Leipziger Konservatorium, die erste Ausbildungsstätte dieser Art in Deutschland. Die Orchestermusik erhielten hier eine umfassende Schulung nach dem Modell des Pariser "Conservatoire". Mendelssohn begann schrittweise das Repertoire des Gewandhaus-Orchesters zu erweitern. Neben Aufführungen von "alter" Musik, bemühte er sich insbesondere darum, jüngere Komponisten zu fördern. Daher schickte Richard Wagner am 11. April 1836 aus Magdeburg die Partitur seiner Sinfonie in C-Dur an Mendelssohn nach Leipzig. Diese Sinfonie, die einzige, die er jemals vollenden konnte, hatte Wagner im Sommer 1832 komponiert. Das Werk war bereits in Prag, anschließend zweimal in Leipzig aufgeführt worden; im Januar 1833 sogar im Rahmen eines Abonnements-Konzertes des Gewandhauses. Wagner überließ Mendelssohn seine handschriftliche Partitur als Geschenk, sein Ziel war keineswegs eine weitere Aufführung der Sinfonie, vielmehr wollte er damit Mendelssohn imponieren und Interesse für seine neueren Kompositionen wecken.

> Wagner an Mendelssohn, 11.4.1836

Tatsächlich konnte Wagner zu diesem Zeitpunkt keine weitere Komposition vorweisen, die für eine Aufführung im Gewandhaus geeignet gewesen wäre. Der Kontakt zu Mendelssohn wurde für einige Jahre unterbrochen, während Wagner in Riga und Paris lebte. Als Wagner 1842 nach Dresden übergesiedelt war, bot Mendelssohn nur wenig später an, seine Ouvertüre zur Oper "Rienzi" im Gewandhaus zu dirigieren. Wagner lehnte diesen Vorschlag jedoch mit dem Argument ab, die "Rienzi"-Ouvertüre sei nur für die Aufführung in einem Opernhaus, nicht im Konzertsaal geeignet. Er hielt jedoch die Ouvertüre für den "Fliegenden Holländer", der wenig später im Königlichen Opernhaus in Dresden uraufgeführt werden sollte, für passender und empfahl Mendelssohn diese allerneueste Komposition. Schließlich einigte man sich darauf, dass einige Szenen aus "Rienzi" konzertant im Gewandhaus aufgeführt werden sollten.

> Wagner an Mendelssohn, 17.11.1842

Wagner sah bereits zu diesem Zeitpunkt in Mendelssohn einen Konkurrenten. An seinen Freund Samuel Lehrs, der in Paris zurückgeblieben war, schrieb Wagner im April 1843, er wisse aus "guter Quelle", dass Mendelssohn, der nun auch versuche eine Oper zu schreiben, "mehr als eifersüchtig" auf ihn wäre. Als am 7. Juni 1843 das Denkmal für den sächsischen König Friedrich August I. in Dresden enthüllt wurde, hatten sowohl Wagner wie auch Mendelssohn den Auftrag für eine Komposition erhalten. Beide Werke wurden nacheinander aufgeführt: Wagners "Festgesang" für unbegleiteten Männer-Chor, anschließend Mendelssohns Komposition für Chor und Blasorchester, eine Variation über das "Sachsen-Lied" "Den König segne Gott". Nach dem Abschluss der Feierlichkeiten zeigte sich Wagner fest davon überzeugt, sein Chor habe einen "Sieg über den Mendelssohn´schen davon getragen", wie er bereits am folgenden Tag an seine Frau Minna, die sich zur Kur in Töplitz aufhielt, schrieb. Wenig später am 14. Juni berichtete er auch seinem Bruder Albert Wagner von diesem Ereignis:

"Am 7ten war hier eine große Feierlichkeit, die Enthüllung des Monuments für Friedrich August: dazu wurde mir vom König ein Festgesang für Männerstimmen, – im Zwinger vorzutragen – bestellt, Mendelssohn hatte den zweiten zu componiren. Mein Gesang trug entschieden den Sieg davon, weil er einfach, erhebend u. wirkungsvoll war, während der Mendelssohn'sche schwülstig u. unwirksam herauskam".

Am selben Tag erhielt Minna einen weiteren Brief, in dem ihr Wagner die Ereignisse erneut eingehend schilderte und ergänzend berichtete, der sächsische König habe ihm als Dank eine Tabak-Dose im Wert von 100 Talern geschenkt. Einen Monat später schrieb Wagner über seinen vermeintlichen "Sieg" noch an seine Schwester Cäcilie, die in Paris lebte. Tatsächlich hatte bei dieser Feier kein Kompositionswettbewerb stattgefunden, und Wagner durfte mit seinem Chor-Stück war nur das Vorspiel zu der weitaus größer angelegten Komposition Mendelssohns liefern.

Zu einer längeren persönlichen Begegnung zwischen Wagner und Mendelssohn kam es nie. Auch nach dem frühen Tod Mendelssohns, der am 4. November 1847 in Leipzig verstorben war, sah sich Wagner mehr denn je in einem Wettbewerb mit Mendelssohn. Als Wagner häufiger als Dirigent in Sinfonie-Konzerten auftrat, stellte er die Leistungen Mendelssohn als Dirigent zunehmend in Frage, einmal behauptete er, Mendelssohn habe nicht die Fähigkeit besessen, den poetischen Kern der Sinfonien Beethovens zu verstehen, deshalb wären diese Aufführungen misslungen gewesen. Wagner sah sich durch den Erfolg Mendelssohn sogar nach dessen Tod noch benachteiligt und durch die Anhänger Mendelssohns regelrecht verfolgt. An Otto Wesendonck schrieb er am 5. Mai 1855 aus London:

"Diesen tief brünstigen Drang des englischen Publikum's hat Mendelssohn so schön verstanden, und ihm Oratorien componirt und dirigirt, wofür er denn nun auch der eigentliche Heiland der englischen Musikwelt geworden ist: Mendelssohn ist den Engländern vollkommen das, was den Juden ihr Jehovah ist. Jehovah's Zorn trifft mich Ungläubigen denn auch jetzt; denn Sie wissen, dass unter andern grossen Eigenschaften dem lieben Gotte der Juden auch sehr viel Rachsucht zugeschrieben wird".

Bereits fünf Jahre zuvor hatte Wagner seine Schrift über das "Judentum in der Musik" unter dem Pseudonym K. Freigedank in der "Neuen Zeitschrift für Musik" veröffentlicht. Seine Kernthese, Juden seien unfähig zur Produktion von Kunst, insbesondere von Musik, hatte Wagner am Beispiel Mendelssohns ausgeführt.

"An welcher Erscheinung wird uns dieß Alles klarer, ja an welcher konnten wir es einzig fast inne werden, als an den Werken eines Musikers jüdischer Abkunft, der von der Natur mit einer spezifisch musikalischen Begabung ausgestattet war, wie wenige Musiker überhaupt vor ihm? Alles, was sich bei der Erforschung unserer Antipathie gegen jüdisches Wesen der Betrachtung darbot, aller Widerspruch dieses Wesens in sich selbst und uns gegenüber, alle Unfähigkeit desselben, außerhalb unseres Bodens stehend, dennoch auf diesem Boden mit uns verkehren, ja sogar die ihm entsprossenen Erscheinungen weiter entwickeln zu wollen, steigern sich zu einem völlig tragischen Konflikt in der Natur, dem Leben und Kunstwirken des frühe verschiedenen Felix Mendelssohn Bartholdy. Dieser hat uns gezeigt, daß ein Jude von reichster spezifischer Talentfülle sein, die feinste und mannigfaltigste Bildung, das gesteigertste, zartestempfindende Ehrgefühl besitzen kann, ohne durch die Hilfe aller dieser Vorzüge es je ermöglichen zu können, auch nur ein einziges Mal die tiefe, Herz und Seele ergreifende Wirkung auf uns hervorzubringen, welche wir von der Kunst erwarten, weil wir sie dessen fähig wissen, weil wir diese Wirkung zahllos oft empfunden haben, sobald ein Heros unserer Kunst, so zu sagen, nur den Mund aufthat, um zu uns zu sprechen".

Für Wagner war es in dieser Publikation offenkundig gleichgültig, dass Mendelssohn bereits als Kind die christliche Taufe erfahren hatte. Auch machte es für Wagner keinen Unterschied, ob ein Jude konvertiert war, wie der Komponist Ferdinand Hiller oder der Geiger Joseph Joachim, oder ob ein Jude darauf verzichtete hatte, wie Giacomo Meyerbeer. Aus seine Sichtweise waren alle ohne jede Einschränkung Juden. Damit wurde Wagner, der nur auf die Abstammung fixiert war, zu einem Protagonisten des rassistischen Antisemitismus.

Die Auseinandersetzung mit Mendelssohn begleitete Wagner Zeit seines Lebens. Cosimas Tagebücher belegen, wie sehr sich Wagner auch in späteren Jahren noch immer in Konkurrenz mit Mendelssohn gesehen hat. Am 7. Dezember 1869 hielt Cosima fest:

"Über Mendelssohn mit Richard gesprochen. Vergleich mit dem Kristall, die Hebriden-Ouvertüre so klar, so glatt, so klangvoll, so sicherer Form wie Kristall, aber auch so kalt; solch ein enormes Talent wie Mendelssohn ist beängstigend, hat in unsrer Entwicklung der Musik nichts zu tun".

Später notierte Cosima, dass Wagner in der Nacht geträumt habe, Mendelssohn habe ihm das "Du" angeboten. Einmal begann Wagner beim Abendessen plötzlich einen Chor von Mendelssohn zu singen und er parodierte die lang zurückliegende Aufführung des Chors in Dresden. Mendelssohn sei "hübsch" gewesen, erklärte er Cosima, dann sei er aber mit 30 Jahren "so jüdisch geworden".

Schließlich entwickelte Wagner sogar die Wahnvorstellung, seine Oper "Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg" habe den vorzeitigen Tod Mendelssohns bewirkt. Cosima hielt in ihrem Tagebuch am 15. Februar 1881 fest:

"Vorher hatte er auf Rubinsteins Befragen Mendelssohn´s ´dämonische´, durch das Schweigsame unheimliche Koboldart beschrieben und angedeutet, wie der Eindruck des Tannhäsuer´s ihn wohl hätte würgen können, er sei nicht lange darauf gestorben".

Auch die Partitur der C-Dur-Sinfonie, die Wagner 1836 Mendelssohn überlassen hatte, wurde für Cosima ein wichtiges Thema. Da Friedrich Nietzsche mit dem Sohn Mendelssohns, dem in der Schweiz lebenden Historiker Carl Mendelssohn Bartholdy persönlich bekannt war, schrieb ihm Cosima am 22. August 1872:

"Der Stamm Levy bringt mich auf Professor Mendelssohn, ich möchte wissen ob er im Nachlass seines Vater's die Symphonie (Manuscript) die Wagner diesem zugeschickt – nicht geschenkt – hatte, gefunden, und ob er dieselbe Wagner zurückerstatten würde? In der Erwartung dass das Werk durch Mendelssohn aufgeführt würde, hatte Wagner selbst nicht eine Kopie davon behalten, und nun verschwand sie spurlos".

Es entsprach offensichtlich keineswegs der Wahrheit, dass Wagner die gesuchte Partitur "nicht geschenkt" hatte. Aber die Suche nach dem Manuskript blieb ohne Erfolg. Wagner schloss daraus sofort, Mendelssohn habe die Sinfonie "wahrscheinlich vernichtet", da "ihm darin sich Anlagen offenbarten, welche ihm unangenehm waren". Fünf Jahre später tauchten schließlich die Orchesterstimmen der Sinfonie wieder auf, die Wagner 1849 bei seiner Flucht aus Dresden zurückgelassen hatte. Am Weihnachtsabend 1882 ließ Wagner anlässlich des 45. Geburtstags von Cosima die Sinfonie im Theater La Venice in Venedig aufführen. Er wollte, nur zwei Monate vor seinem Tod, seine Überlegenheit noch einmal demonstrieren.